Die Vorgaben für das Wohnhaus der Gebrüder Meier aus Dällikon waren so klar wie ungewöhnlich: 100 Wohnungen, automatisierte Lüftungen, komfortable Badezimmer, keine Balkone, keine Satellitenschüsseln.

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Es sollte ein Heim werden für die über 100 Mitarbeiter, die im Sommer in Meiers Gemüsekulturen im Furttal Blumenkohl, Lattich, Pak-Choi und Nüsslisalat anbauen – und im Übrigen: bezugsbereit in 24 Monaten.

Fritz Meier, im Familienbetrieb für die Arbeit auf dem Feld und im Gewächshaus verantwortlich, ist ein freundlicher Mann mit Dreitagebart, Lachfältchen und einem Sinn fürs Praktische. Balkone habe er keine gewollt, weil die Leute da nur Gerümpel horteten, sagt er. Schöne Badezimmer brauche es, weil man dort erst richtig heimkomme, sich erfrische nach einem Tag auf dem Feld. Und die kontrollierte Lüftung? Sorge dafür, dass die Zimmer im Winter nicht müffelten, wenn sie leer stünden, weil die Saisonniers in ihr Heimatland
zurückgekehrt seien.

Wohnungen für Saisonniers
Anfang 2017 sagten die Buchser (ZH) Ja zu einem Baurechtsvertrag, der es der Familie Meier erlaubte, auf dem Grundstück nahe dem Bahnhof ihre Mitarbeiterwohnungen von diversen Standorten zusammenzuziehen. Ein erster Entwurf nach Meiers Vorgaben überzeugte nicht:ein Kubus mit vielen kleinen Fenstern, in der Mitte jedes Stockwerks ein langer Hotelkorridor. So ein Haus, das wurde schnell klar, ist eine grosse Nummer, der Zeitplan ehrgeizig. Es musste ein Totalunternehmer mit Erfahrung her.

Die Idee der Gemüsebauern: die Geschichte der Schweizer Kosthauser weiterschreiben. Mit einem Exemplar, das – anders als die spartanischen Bauten aus der Blüte der Industrialisierung – zeitgenössischen Komfort bietet. Oliver Gruenberg von Marti Gesamtleitungen wandte sich an Bettina Baumberger und Annina Wassermann. Das Resultat der Architektinnen ist offenbar nicht nur für Saisonniers attraktiv: Seit Vermietungsstart im November sind in den oberen Etagen Studenten und Personal weiterer Firmen eingezogen.Das Haus liegt 600 Meter von Meiers Gewächshäusern entfernt, aber auch funf Gehminuten vom Bahnhof Buchs-Dällikon: 25 Minuten sind es mit Zug und Bus an die ETH Hönggerberg.

Clevere Architektur für eine lebendige Nachbarschaft
Bei allen praktischen und finanziellen Vorgaben der Bauherrschaft (die Mieten betragen 1090Franken samt Nebenkosten und schnellem Internet): Das Gebäude sollte an ein Genossenschaftshaus erinnern und ebenso kontaktfördernd funktionieren. Es galt, ihm Leben einzuhauchen, den Saisonniers ein Heim zu schaffen, sagt Architektin Wassermann.

Das ging so: Statt über einen langen Hotelkorridor haben die Architektinnen die Kleinwohnungen über Laubengänge entlang der Fassade erschlossen. Die Zimmerfronten, dank verglaster Türen und grosser Fenster, lassen sie viel Licht herein – sind von den nahen Bahngleisen abgewandt, so stören die vorbeifahrenden Zuge wenig. Die schräg zurückversetzten Fronten bilden eine Zickzacklinie, gliedern den langen Bau und schaffen vor jedem Zimmer eine Nische auf dem Laubengang, die zum Verweilen einlädt und ihn zur Begegnungszone macht. Wir freuen uns auf das Leben, das mit den wärmeren Temperaturen auf den Lauben einkehren wird, sagt Gemüsebauer Meier.

Die Lage der Liegenschaft optimal nutzen
Im kantigen Kopfbau, gegen die Geleise hin, sind lärmunempfindliche Räume untergebracht – Kellerabteile und Haustechnik: eine Holzschnitzelheizung, grosse solargeheizte Warmwasserspeicher und die Elektronik. Weil es praktischer und günstiger ist als ein Schlüsselsystem, werden Waschküche und Wohnungstür per Badge ge ffnet, wie im Hotel. Das schnelle Internet in jeder Wohnung macht Satellitenempfänger für ausländische Sender überflüssig.

So überzieht statt ein Wildwuchs an Empfangsschüsseln ein ruhiges Muster in hellen Grüntönen das Mitarbeiterhaus. Die Fassadengestaltung basiert auf einer Luftaufnahme der Gemüsefelder im Furttal. Die grossen Farbflachen überspielen die Fassadenstruktur in ihrem eigenen Rhythmus. So brechen sie den Massstab des stattlichen Volumens, sagt Wassermann. Das lebendige Grün rund ums Haus und die schattenspendenden Bäume bei den zwei Grillplätzen mit grossen Tischen: alles einheimische Pflanzen – bei so was kennen sich Gemüsegärtner schliesslich aus.

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